Samstag, 12. November 2016

OECD-FATF:Die Schweiz wartet nervös auf ihr Zeugnis

Claudia Aebersold Szalay (NZZ) In den kommenden Wochen flattert der Schweiz ein Zeugnis der besonderen Art ins Haus: Ein internationales Expertenteam des Groupe d'action financière (Gafi) gibt sein Urteil darüber ab, ob die Schweiz die Globalstandards zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung einhält. Über ein Jahr lang haben die Spezialisten die Schweiz unter die Lupe genommen. Anfang Dezember wird ihr Zeugnis nun veröffentlicht. Obwohl der zwischenstaatliche Gafi regelmässig Examen in den 34 Mitgliedstaaten durchführt, ist die Prüfung für die Schweiz diesmal besonders brisant. Hierzulande sind die Geldwäschereiregeln erst vor kurzem verschärft worden (vgl. Zusatzbericht). Das Länderexamen ist demnach die erste Gelegenheit zu prüfen, ob die neuen Schweizer Regeln den internationalen Ansprüchen genügen. Während des politischen Seilziehens um die Normen im Schweizer Parlament war das Urteil internationaler Experten immer wieder als Argument ins Feld geführt worden – gestalte die Schweiz ihr Regelwerk so und nicht anders aus, werde es bei der internationalen Prüfung durchfallen, hiess es damals. Die Lösung, die im Parlament letztlich gefunden wurde, dürfte laut Experten grosso modo im Einklang mit den Gafi-Standards stehen – Rügen sind trotzdem nicht ausgeschlossen. Grundsätzlich steht bei der diesjährigen Prüfung die Effektivität der Geldwäschereibekämpfung im Zentrum. Es genügt nicht, gute Gesetze gegen die Geldwäsche zu haben – auch ihre Umsetzung muss funktionieren. Schweizer Eigenheiten Somit wird nicht nur die Gesetzgebung in der Schweiz unter die Lupe genommen, sondern das gesamte Aufsichtsdispositiv, das Meldewesen bis hin zur effektiven Strafverfolgung oder zur internationalen Zusammenarbeit. Obwohl der Gafi mehrere Dutzend Empfehlungen an seine Mitglieder herausgegeben hat, wie Geldwäscherei bekämpft werden soll, sind nationale Eigenheiten grundsätzlich erlaubt. Viele der Leitlinien sind denn auch recht vage formuliert. Im diesjährigen Examen wird vor allem geprüft, ob das Schweizer System zur Bekämpfung der Geldwäscherei kohärent ist und die Geldwäsche effektiv bekämpft. Da die Analyse der Experten gleichzeitig aber sehr detailliert und technisch ist, wird es auf jeden Fall Punkte geben, bei denen die internationalen Gutachter mit der Schweiz nicht gänzlich zufrieden sind. Einige Themen drängen sich dabei besonders auf, etwa die Schweizer Einstellung zum Bargeld. Der Gafi macht keine konkreten Vorschriften zum Umgang mit Cash, hält aber fest, dass von Barem ein potenzielles Geldwäscherisiko ausgeht. Er schreibt vor, dass in Bereichen, in denen dieses besonders hoch ist, der Einsatz von Bargeld limitiert werden soll. Die neuen Schweizer Geldwäschereiregeln sehen solche Limiten in gewissen Branchen vor (vgl. Zusatz). Grundsätzlich verfolgt die Schweiz punkto Bargeld aber eine etwas andere Philosophie als andere Länder, wie beispielsweise die Diskussion um grosse Banknoten zeigt. Wurde in der Euro-Zone vor kurzem beschlossen, den 500-Euro-Schein abzuschaffen, will man in der Schweiz an der 1000-Franken-Note festhalten. Laut Experten dürften die Gafi-Kontrolleure die Schweizer Bargeld-Philosophie nicht grundsätzlich infrage stellen. Möglich ist aber, dass sie eine vertiefte Risikoanalyse verlangen werden. Ein weiteres Thema, das die Kontrolleure schon bei vergangenen Examen beschäftigt hat und auch dieses Mal wieder für Diskussionen sorgen dürfte, ist das Geldwäscherei-Meldewesen in der Schweiz. Die Schweiz unterscheidet zwischen Melderecht und Meldepflicht. Die Meldepflicht besteht für die Finanzintermediäre nur, wenn sie bei Kunden einen begründeten Verdacht auf Geldwäscherei haben. Bei diffusen Suspekten ist die Meldung freiwillig. Diese Schweizer Unterscheidung führte schon in der Vergangenheit zu Erklärungsbedarf, besonders gegenüber Ländern wie den USA, die ein «defensive reporting» verfolgen, wo die Banken schon beim kleinsten Verdacht Kunden melden müssen. In der Schweiz, wie auch in Deutschland, ist die Verdachtsschwelle hingegen höher, dafür führt ein grösserer Anteil der Meldungen zu einer Strafverfolgung. Der Gafi fordert in den eigenen Richtlinien eine Meldung bei «reasonable grounds for suspicion» und lässt offen, wie das definiert wird. Die Schweizer Interpretation könnte bei der jetzigen Prüfung für Diskussionen sorgen. Grosse Kluft Für Barzahlungen ab 100 000 Fr. gelten im Handel mit Immobilien, Edelmetallen, Autos, Edelsteinen, Schmuck oder Kunstgegenständen in der Schweiz neu strengere Regeln (vgl. Zusatz). Gewerbebetreiber wie Juweliere oder Galeristen müssen ab dieser Grenze neu Dokumentations- und Sorgfaltspflichten einhalten wie Finanzintermediäre. Zwar formuliert der Gafi keine detaillierten Regeln, wie mit Barzahlungen im Handel umgegangen werden soll. Er gibt aber vor, dass dort, wo die Risiken für Geldwäscherei besonders hoch sind, der Einsatz von Cash limitiert werden soll. Es bleibt dabei den Ländern überlassen, die Branchen festzulegen, in denen die Risiken hoch sind. Die Schweiz hat sich für die aufgeführten Sektoren entschieden und die Limite bei 100 000 Fr. festgelegt, weil sie davon ausgeht, dass der Schweizer Durchschnittsbürger normalerweise keine höheren Beträge bar bezahlt. Ob die Schweiz mit dieser Regelung durchkommt, ist fraglich. Im Handel mit Edelsteinen und Edelmetallen sieht der Gafi einen konkreten Schwellenwert von 15 000 € vor – der Unterschied zu den 100 000 Fr., die in der Schweiz gelten, ist erheblich. Heftig moniert werden auf internationalem Parkett auch immer wieder die Sanktionsmöglichkeiten der Schweizer Finanzaufsicht Finma. Das Fehlen einer Bussenkompetenz der Finma stösst auf Unverständnis. Auch hier stecken letztlich unterschiedliche Philosophien hinter dem Schweizer Regime und dem angelsächsischen Ansatz. Während Grossbritannien oder die USA Fehlverhalten im Finanzsektor mit hohen Bussen ahnden, greifen Schweizer oder deutsche Behörden mit anderen Mitteln ein (z. B. Verbot, gewisse Geschäfte weiter zu tätigen). Es muss davon ausgegangen werden, dass die Sanktionsmöglichkeiten der Finma beim Gafi-Länderexamen ein grosses Thema sind. Ein letzter Punkt, der zu Diskussionen führen könnte, ist die Definition der Steuerdelikte, die als Vorstufe zur Geldwäsche gesehen werden (vgl. Zusatz). Laut Gafi sind «ernste» Steuervergehen eine solche Vorstufe. Er überlässt es aber den einzelnen Ländern, zu definieren, was das bedeutet. Die Schweiz stützt sich bei ihrer Definition auf jene des Steuerbetrugs, die eine Urkundenfälschung voraussetzt. Diskussionen darüber sind nicht ausgeschlossen. Happy im Mittelmass Insgesamt drohen der Schweiz wohl keine allzu grossen

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